Von Angelika Bohn (Text), Foto: Maik Schuck

In der aktuellen Saison 2017 ist im Liebhabertheater Kochberg die großartige Berliner Schauspielerin Barbara Schnitzler im Ein-Personen-Stück „Ein Gespräch im  Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ zu erleben.


„Sie bester Engel, liebstes Geschöpf..“  Später „Wie hast Du geschlafen, liebe Lotte, ...“ – zehn Jahre umwirbt Goethe diese eine Frau. Wenn sie nicht zusammen sind, schreiben sie einander. Briefe und Zettelchen. Am Lebensende sind es 1700 an sie,  wohlverwahrt im Goethe-Schiller-Archiv Weimar. Ihre Briefe an ihn aus den zehn Liebesjahren sind nicht erhalten.

1976, also 200 Jahre nachdem der 26-jährige Goethe kurz nach seiner Ankunft in Weimar die  Hofdame Charlotte von Stein zur Liebe seines Lebens erwählt, erlebt Peter Hacks Ein-Personen-Schauspiel in fünf Akten seine Uraufführung. „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ zählt bald darauf zu den weltweit erfolgreichsten deutschen Bühnenwerken des 20. Jahrhunderts. Der Dramatiker Hacks erkundet im fiktiven Monolog der durch Goethes Abreise tief verletzten Charlotte nicht nur die Facetten dieser geheimnisumwitterten Liebe. Alles kreist um die Frage: Was passiert mit uns, wenn die Liebe uns verlässt, die unserem Leben Strahlkraft und Bedeutung gab?  

 Nun, 2017, feiert das Sommerfestival im Liebhabertheater Schloss Kochberg den 275. Geburtstag der Schlossherrin  Charlotte von Stein. Ein Jubiläum,  für das die künstlerische Leiterin Silke Gablenz-Kolakovic mit wie immer sicherem  Gespür für Stil und Schönheit  Hacks geniales Stück, die dem Liebhabertheater seit langem verbundene Berliner Schauspielerin Barbara Schnitzler und den historischen Liebesort zusammenführt. Gerade hier im Liebhabertheater erweist sich die Koproduktion mit drei weiteren kleinen Theatern in Thüringen und Sachsen als wunderbare Symbiose! Auf den Brettern dieses zauberhaften Museum hat die Familie Stein schon Theater gespielt. Im Schloss nebenan öffnet das Gästebett, in dem Goethe schlief, den Fantasien der Besucher Tür und Tor.

Auf der Bühne ein Schreibtischchen rechts, darauf geöffnete und gebündelte Briefe lose verstreut, ein Tischlein mit Likör hinten in der Mitte, ein Sessel links, vor dem ein Paar Stiefel den Stallmeister von Stein vertritt. An ihn richtet Charlotte ihre Verteidigungsrede. Ganz Weimar meine, sie sei die Ursache, dass Goethe „uns heimlich verlassen hat, über Nacht, unangekündigt, ohne Abschied oder Erlaubnis.“ Natürlich sind der Staat, der Hof, das Theater und das Land, die Goethe 1786 fluchtartig verließ, ihr herzlich egal. Nicht egal ist, er hat sie einfach sitzen lassen.
 
Barbara Schnitzler spielt diese verletzte Frau, innerlich tobende, wütende Frau mit anbetungswürdiger Eleganz. Sie zeichnet ein Seelengemälde von klassischer Schönheit, das alles enthält. Die schwarze Wut über den feigen Mann, der ohne Erklärung verschwindet. Den ätzenden Spott über seine im intimen Beisammensein erkannten Schwächen. Die blutende Wunde, die seine Flucht ihr geschlagen hat – färbte sich das weiße Seidengewand Charlottes irgendwo rot, es wunderte nicht.

Doch die düsteren, grellen Farben, die wie Blitze zuckenden Striche überstrahlt die Gewissheit, eine Auserwählte, eine von den göttlichen Musen geküsste und selbst unsterblich zu sein. Diese Frau hat weiß Gott keinen Grund, sich zu beklagen. Zehn Jahre war sie Goethes Glut, seiner Aufmerksamkeit, seiner Fürsorge, seiner Achtung, seiner Wertschätzung sicher.

Wie die Schnitzler diesen Text zelebriert, ist Schauspielkunst vom Feinsten. Wie sie den Monolog denkend entstehen lässt, flüstert und lästert, verächtlich Goethes Frankfurter Mundart imitiert, wie sie mit dem Zeigefinger die Nase berührt, mit dem Fuß wippt, nie aus der von klein auf auf Haltung getrimmten Rolle der adligen Dame fällt und trotzdem ein Vulkan ist, das macht ihr keine nach. Doch wenn auch die Fiktion so magisch ist, dass sie wie die Inkarnation der Frau von Stein erscheint, dieses Gespräch ist viel mehr, es ist ein Lehrstück über das Glück der Liebe.

Die nächsten Vorstellung am 19. und 26. August, jeweils 17 Uhr im Liebhabertheater Schloss Kochberg.