Foto: Sabina Sabovic
Von Angelika Bohn
Für Kinder ab sechs geht die Geraer Puppentheaterchefin Sabine Schramm mit ihrem Publikum auf Zeit- und Weltreise
Seid ihr alle da? An die uralte Kasperfrage erinnert der Titel „Alle da!“ der neuen Puppentheaterinszenierung in Gera. Natürlich sind alle da, wenn das Haus der Fantasie am Gustav-Henning-Platz zur Premiere lädt; vor allem alle Erwachsenen, die sehen wollen, was Puppentheaterchefin Sabine Schramm diesmal aus dem Zylinder zaubert. So sind Kinder ab sechs an diesem Sonnabend nur eine kleine Minderheit.
Unter der Leitung der vielfach preisgekrönten Regisseurin Karin Eppler hat Puppenspielerin Sabine Schramm in Gera bereits die Geschichte vom kleinen gelben Hund und der eigensinnigen und traurigen Malerin Mona erzählt. Das war eine Geschichte, in der ein Tier einem Menschen das Herz öffnet. Für eine neue Runde Erzähltheater haben Sabine Schramm und Karin Eppler nun das Kinderbuch „Alle da! Unser kunterbuntes Leben“ von Anja Tuckermann ausgewählt. Die Journalistin, Dramatiker und Autorin hat gut zwei Dutzend Kinderbücher geschrieben, Kinderbücher, die auch in vielen europäischen Ländern sowie in China erschienen sind. In ihrem jüngsten Buch „Alle da! Unser kunterbuntes Leben“ geht es um Kinder aus Afrika, aus Syrien, dem Irak oder Anatolien, die aus den unterschiedlichsten Gründen ihre Heimat verlassen mussten und einen sicheren Hafen suchen, einen Ort, in dem sie zu Schule gehen und Hoffnung für die Zukunft haben können.
Mit seinen Zuschauern begibt sich das Puppentheater nun auf Zeit- und Weltreise, zu den Wurzeln der Menschheit in Afrika, zu dem, was alle Menschen auf der Erde gemeinsam haben, und dem, was sie unterscheidet wie Sprache, Religion und Kultur. Es geht um nichts weniger als das, was den Menschen gerade weltweit auf den Nägeln brennt.
Wie erklärt man Kindern ab sechs eine komplexe Welt, die viele Große überfordert? Indem man einen Raum zum Nachdenken schafft und jemanden hat, dem keine Frage verboten ist. Mautz heißt dieser jemand und ist eine blaue Katze. Eine Handpuppe, deren Fragen die Puppenspielerin in unterschiedlichen Rollen beantwortet. Dieses Zwiegespräch findet in einem Raum statt, der Geborgenheit bietet und zugleich unsere kunterbunte Erde verkörpert. Wortwörtlich heißt das, auf der Erde zu sitzen, in der Hocke, auf den Knien oder im Schneidersitz. Genau so, wie hierzulande es nur noch Kindern oder Yogageübten schmerzfrei möglich ist.
Mautz und Mensch haben für ihr Spiel drei Pulte zum Bühne bauen und verstecken. Die Geschichten illustrieren sie mit Faltbildern und Scherenschnitte (Bühne, Kostüme, Puppenbau: Sabine Effmert). Die wieder greifen Tine Schulz' Illustrationen zum Buch auf. Das funktioniert blendend. Schon bald scheinen die Puppenspielerin Sabine Schramm und ihre Publikum im gleichen Takt zu atmen. Sensibel, aber nicht sentimental wird erzählt, warum Menschen seit Menschengedenken über die Erde ziehen: Neugier, Abenteurertum, Bildungshunger und Reiselust, aber eben auch Armut und Krieg sind Gründe, die Heimat zu verlassen. Wie fühlt es sich an, auf der Flucht zu sein? Das erfahren die Kinder mit der Geschichte von Samira, dem Mädchen, das mit seinen Eltern aus Syrien nach Deutschland flieht. Keine Puppe, Sabine Schramm selbst verkörpert die kleine Samira. Mautz und wir erfahren, so eine Flucht ist kein Spiel, da darf man kein Kind mehr sein, und auch die Katze darf erst wieder mia sagen, wenn sie in Sicherheit ist.