Staunen und schaudern im vergessenen Fürstenschloss

Ausstellung in Schloss Hubertusburg mit Multimedia-Traumhochzeit und einem gespenstischen Rundgang durch 300 Jahre Geschichte




Von Angelika Bohn




Schloss Hubertusburg? Nie gehört. Wermsdorf zwischen Leipzig und Dresden? Irgendwas war da doch…

Was es mit dem Schloss und seiner glanzvollen wie gespenstischen Geschichte auf sich hat, ist 2019 nach langem Dornröschenschlaf erstmals in einer der interessantesten Ausstellungen des Jahres zu besichtigen. Hubertusburg hält eine Zeitreise bereit, die Staunen und Schaudern macht.

Anlass, einen Teil der riesigen und lange vergessenen Anlage für die Öffentlichkeit zu erschließen, ist die Hochzeit zwischen Friedrich August, einziger legitimer Sohn August des Starken, und der österreichischen Kaisertochter Marie Josepha im September 1719. Kurz nach der Eheschließung, die ein außenpolitischer Triumph sondergleichen für Sachsen war, gab der Kurfürst den Bau eines prächtigen Jagdschlosses für die Frischvermählten in Auftrag.

Die Traumhochzeit vor 300 Jahren schrieb Dresdener Stadtgeschichte. In ihrem überbordenden Luxus ist sie in Hubertusburg in Bild und Ton als 3D-Rekonstruktion zu erleben. Zuvor kann der Besucher Hochzeitsgeschenke und Schauwaffen bestaunen, Medaillen und Geschmeide, Tafelgeschirr, Gemälde, Möbel und immer wieder Zeichnungen und Stiche. Letztere dienten gewissermaßen wie die Selfies von heute der Dokumentation der Ereignisse.

Bis 1756 entstand im kleinen Wermsdorf eines der größten Jagdschlösser Europas, eine Anlage, vergleichbar in ihrer Pracht den Schlössern an der Loire. Doch schon mit dem Siebenjährigen Krieg wendete sich das Blatt, für Jahrhunderte zogen Leid und Tod in Hubertusburg ein. 1761 gab Preußenkönig Friedrich II. Befehl, das Schloss zu plündern. Die bedeutende Gemäldesammlung wurde in Amsterdam versteigert. Trotzdem, ein Blick auf die heute über Museen in der ganzen Welt verstreuten Kunstwerke ist möglich, dank Rekonstruktion auf dem Tablet in der Hubertusgalerie, die zu den nicht restaurierten Teilen des Schlosses gehört. Ähnlich erschließen die Ausstellungsmacher auch den Blick auf den ehemaligen Barockgarten.

Doch ist das Besondere in diesem riesigen Schloss, steingewordener Alptraum jedes Denkmalpflegers, nicht nur das wieder erstandene sächsische Rokoko, das Besondere ist die Öffnung eines Teils der unsanierten und unrestaurierten Räume, in dem seine Geschichte bis heute erzählt wird: Militärmagazin, Lazarett – nach der Völkerschlacht bei Leipzig starben hier schätzungsweise dreizehntausend Verwundete – Gefängnis, Hospital,Versorgungshaus für geisteskranke Frauen und Kinder, Unteroffiziersschule der Wehrmacht, wieder Lazarett, Psychiatrie und schließlich eine der größten Gesundheitseinrichtungen im Bezirk Leipzig.

Nach 1990 zog das Fachkrankenhaus in neue Gebäude um und im Schloss wurde das Bernsteinzimmer gesucht… 2019 nun meldet sich die vergessene Schönheit zurück – eine großartige Entdeckung.


Geöffnet noch bis 6. Oktober 2019 Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr