Bekanntes, Skurriles und brandneue Gemälde

Das Museum Schloss Burgk zeigt rund 100 Arbeiten des in Weida lebenden Malers, Zeichners und Grafikers Horst Sakulowski

Von Angelika Bohn

Horst Sakulowski ist weitläufig mit Wilhelm Busch verwandt. Einem, der eine Geschichte über Krankheit und Genesung mit Happy End für Frosch und uns in 14 Worten erzählen konnte. Wilhelm Busch gilt mit seinen unsterblichen Bildgeschichten als Urvater des Comic. Doch er war nicht nur ein genialer Zeichner und Sprachvirtuose; er war auch, was weniger bekannt ist, ein großartiger Maler.

Etwas von jedem dieser Talente hat der 1943 in Saalfeld geborene Sohn eines Uhrmachers geerbt. Nur in ihrer „Rangfolge“ sind sie anders gelagert. Dem breiten Publikum ist Horst Sakulowski vor allem als Maler bekannt, seit er 1976 in der DDR-Kunstausstellung in Dresden mit „Porträt nach Dienst“ mit einem Paukenschlag antrat. Das Gemälde zeigt seine Ehefrau Karin, eine Kinderärztin. Der Betrachter erkennt sofort, für diese junge, moderne Frau gibt es eigentlich keinen Dienstschluss.

Berufliches Engagement und Überforderung, Schönheit und Entsagung – Sakulowski vereint all das in altmeisterlicher Lasurmalerei. In dieser langwierigen, aufwändigen Technik ist dieser Maler schon damals ein Meister. Museen wie die Kunstsammlungen in Jena und Gera oder das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden können sich glücklich schätzen, große und wichtigeTafelbilder dieses Malers in ihrem Bestand zu haben. Schön, wenn sie sie für Ausstellungen ausleihen. Schlüsselwerke wie „Porträt nach Dienst“, „Das Telegramm“ oder das – ein Zeichen der Mangelwirtschaft – mit Fußbodenleisten gefasste und gerade wieder brandaktuell gewordenen Bild „Alptraum des Diktators“ bringt nun die Ausstellung „Fragmente einer Reise“ auf Schloss Burgk wieder zusammen.

Schloss Burgk hat dem Maler, der seit Ende seines Studiums an der Kunsthochschule Leipzig im ostthüringischen Weida lebt, alle Räume geöffnet. Dieses Herz für die Kreativen hat hier Tradition. Ob Treppenhaus oder Kellergewölbe, Rittersaal und Pirckheimerkabinett, Jagdzimmer und Grafikkabinett, nirgendwo ist der Schlossbesucher vor einer Begegnung mit Sakulowskischer Kunst sicher. Während in der Neuen Galerie die wichtigen Stationen seiner künstlerischen Lebensreise zu bewundern sind, sitzt dem Mann aus Weida im „Nebenwerk“ ganz wie seinem Urahn der Schalk im Nacken. Solch ein an Ideen und Können überbordendes „Nebenwerk“ ist mehr als manch anderem ganzes. Es lohnt sich also, die historische Ausstellung genau unter die Lupe zu nehmen, ob alles mit rechten Dingen zu geht. An der Wand wie auf dem Papier, auf dem Sakulowski in jeder freien Minute mit Kugelschreiber festhält, was ihm gerade so durch den Sinn streift. Nicht immer ist das Ergebnis jugendfrei.

Um die 100 Arbeiten sind im Schloss verteilt zu bewundern. An exponierter Stelle in der Neuen Galerie das Gemälde „Christophorus“ von 1987, zeitgleich entstanden wie der viel beachtete DEFA-Film „Einer trage des anderen Last“. Damals wie heute wichtige Denkanstöße zum Thema Toleranz. Seit mehr als vier Jahrzehnten ist Horst Sakulowski ein ebenso sensibler wie scharfsinniger Beobachter von Zeit- und Weltläufen. Wie ein Seismograf registriert er in seinen Zeichnungen noch die feinsten Verwerfungen, die die großen Beben in den Gesichtern seiner Zeitgenossen und in seinem eigenen hinterlassen.

Die Schreie der Abgehängten, die Angst im Überfluss, heiliger Zorn und ohnmächtige Wut – keiner kann sie so delikat und kostbar mit Bleistift auf ein Blatt Papier bannen wie dieser geniale Zeichner. Kaum einer verfolgt ein Thema über Jahrzehnte so fleißig, treu, konsequent und hartnäckig und zugleich so variantenreich wie er. Die Fische im Wappen seiner Heimatstadt Saalfeld, die Uhren in der Werkstatt des Vaters, die im christlichen Ethos der Eltern wurzelnde Weiterführung biblischer Themen, wie sie die europäische Kunst von der Renaissance an beschäftigt, die Spuren, die zwischen Werden und Vergehen Gebrauch und Verbrauch auf allem hinterlassen – Sakulowskis Kosmos ist nie heil und harmonisch.

Erneut auf den Punkt bringen das zwei brandneue Gemälde, mit denen sich der Künstler nach acht Jahren Malpause zurück meldet: „Kranke Muse“ und „Kranke Erscheinung“ fassen bildlich ein Gefühl, das sicher nicht nur den Maler bei der abendlichen Nachrichtenschau befällt: die Welt ist krank, sie ist anonym und sie ist gefährlich – doch sieht man, wie delikat Sakulowski sie malt, ist sie irgendwie auch überwältigend schön.

Die Sonderausstellung im Museum Schloss Burgk wird bis 19. November gezeigt. Künstlergespräch im Anschluss an die Filmvorführung „Zwischenlandung“ am 3. Oktober. Beginn 13 Uhr.